Gewichtsreduktion nach Sleeve Gastrektomie bei diagnostizierter und therapierter Hypothyreose: eine retrospektive Datenanalyse

Gewichtsreduktion nach Sleeve Gastrektomie bei diagnostizierter und therapierter Hypothyreose: eine retrospektive Datenanalyse

Autorin: Sophie Jurtz (B.Sc. Ernährungstherapie und Ernährungsberatung)

 


Adipositas ist eine multimorbide Erkrankung, welche immer mehr Erwachsene als auch Kinder in Deutschland betrifft. Die steigende Prävalenz dieser Zivilisationskrankheit korreliert mit den steigenden Zahlen von Schilddrüsenerkrankungen, insbesondere der Hypothyreose. Die Diagnosen Adipositas und Hypothyreose führen in Kombination zu einem hohen Leidensdruck und erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität für die Patienten1.

 

Die Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Tetraiodthyronin bzw. Thyroxin (T4) nehmen maßgeblich Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel. Bei einer Hypothyreose werden die Schilddrüsenhormone in unzureichender Menge produziert. Dies führt zu einer stark verlangsamten Stoffwechsellage. Dabei kann sich eine Hypothyreose grundsätzlich unterschiedlich manifestieren und wird meist medikamentös mit Levothyroxin (L-Thyroxin) therapiert. Durch eine Schilddrüsenunterfunktion leiden viele Patienten beispielsweise an Antriebslosigkeit, Schwächegefühl, Müdigkeit, Übergewicht und entwickeln häufig Adipositas.

 

Adipositas, oder auch Fettleibigkeit, bezeichnet ein krankhaftes Übergewicht. Der Body-Maß-Index (BMI) dient als Indikator zur Graduierung von Adipositas und wird in drei Stadien unterteilt. Die Zahl der adipösen Patienten, vor allem junger Erwachsener, steigt weltweit an. Ätiologisch für Adipositas sind beispielsweise die genetische Disposition, Fehlernährung, Bewegungsmangel und psychische Erkrankungen wie Essstörungen. Da dies mit zahlreichen Komorbiditäten wie Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie und Hyperlipidämie einhergeht, sollte eine entsprechende Ernährungsumstellung und ggf. eine Therapie eingeleitet werden. Eine Therapiemöglichkeit bildet die chirurgische Behandlung, z.B. innerhalb eines Adipositasprogramms. Häufig werden hierbei Magenbypässe oder Schlauchmagenoperationen durchgeführt. Die Sleeve Gastrektomie beschreibt eine Form der Magenverkleinerung, bei der minimalinvasiv ein Magenschlauch gebildet wird.

 

Adipositas-chirurgische und metabolisch-chirurgische Eingriffe wie die Sleeve Gastrektomie führen zu einer postoperativen Gewichtsreduktion. Dadurch können auch bestehende Komorbiditäten, insbesondere das metabolische Syndrom, dauerhaft verbessert werden. Voraussetzung dafür ist die Compliance der Patienten, die ernährungs- und bewegungstherapeutische Empfehlungen fest in ihren Alltag integrieren müssen. Bei signifikanten und langfristigen Gewichtsreduktionen ist eine positive Entwicklung der Hypothyreose sehr wahrscheinlich. Zahlreiche Studien belegen, dass aufgrund der verbesserten Schilddrüsenwerte durch eine Gewichtsreduktion auch Reduktionen des Medikaments L-Thyroxin möglich sind.

 

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wurde eine retrospektive Datenanalyse durchgeführt, um die Gewichtsreduktion im postoperativen Verlauf einer Sleeve Gastrektomie bei diagnostizierter und therapierter Hypothyreose zu untersuchen. Die patientenbezogenen Daten entstammen dem klinikinternen Softwaresystem Orbis® des SRH Wald-Klinikums Gera.

In die Analyse wurden ausschließlich Patienten einbezogen, die sich im Zeitraum von 2015 bis 2019 im SRH Wald-Klinikum Gera einer Sleeve Gastrektomie unterzogen. Die Teilnahme am Adipositasprogramm war Voraussetzung, da die Patienten somit in der Auswertung vergleichbar sind. Das Vorgehen der prä- und postoperativen Phase und sowie die Nachsorge sind dabei identisch.

 

Zielparameter für die Untersuchung waren die Körpergröße, das Körpergewicht und die Konzentrationen der Schilddrüsenparameter TSH, fT3 und fT4. Dabei wurden auch bestehende Begleiterkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie und Hyperlipidämie sowie die Levothyroxin-Dosis zum Zeitpunkt des bariatrischen Eingriffs erfasst. Die Medikation erfolgte vorrangig mit L-Thyroxin und die durchschnittliche Dosis betrug 97 µg.

Die erhobenen Daten wurden anschließend miteinander verglichen. Dabei beschreibt t0 den OP-Zeitpunkt und t1 den Zeitpunkt ein Jahr postoperativ.

Für die Analyse wurden die Daten von 30 Patienten mit diagnostizierter Hypothyreose herangezogen. Davon waren 26 (86,7%) Patienten weiblich und vier (13,3%) Patienten männlich. Das durchschnittliche Alter der in die Studie inkludierten Patienten betrug 41 Jahre.

Durch die Durchführung eines zweiseitigen t-Tests konnten positive Effekte auf die Gewichtsreduktion und dessen Einfluss auf die Schilddrüsenhormone gezeigt werden. Eine Signifikanz der BMI-Werte im Vergleich zwischen t0 und t1 konnte nachgewiesen werden (p<0,001), wie es die folgende Grafik veranschaulicht.

 

Abbildung 1 BMI-Verteilung im Vergleich

 


Zudem verbesserten sich die fT3-Werte signifikant innerhalb des ersten postoperativen Jahres (p<0,001). Die TSH- und fT4-Werte zeigten keine signifikanten Veränderungen. Somit kann keine signifikante Korrelation zwischen der Gewichtsreduktion nach Sleeve Gastrektomie und Veränderungen der Schilddrüsenfunktion hergestellt werden. Jedoch ist die Signifikanz der fT3-Werte im ersten postoperativen Jahr repräsentativ für eine Verbesserung der Hormonsynthese des aktiven Triiodthyronins (T3) in der Schilddrüse. Verzerrungen durch die geringe Stichprobengröße sind nicht auszuschließen.

 

Der aktuelle Forschungsstand bietet zahlreiche Studien, die Korrelationen zwischen einer Gewichtsreduktion nach Sleeve Gastrektomie und der Veränderung der Schilddrüsenfunktion sowie einer Dosisänderung des Levothyroxins zeigen. Allerdings konnten bisher wenig eindeutige Belege für die Stabilisierung der Hypothyreose nach einer Schlauchmagenoperation gezeigt werden. Daher bildet eine Implikation für das zukünftige Forschungsfeld eine Durchführung von Studien mit unterschiedlichem Studiendesign. Insbesondere in Deutschland und in Jod- sowie Selenmangelgebieten bedarf es weiteren Studien, die das exponentielle Wachstum von neudiagnostizierten Hypothyreosen identifizieren. Da die Korrelation zwischen Adipositas und Hypothyreose bereits in zahlreichen Studien ersichtlich ist, bedarf es einem wachsenden Fokus auf die Therapie der Hypothyreose. Durch weitere Studien in diesem Forschungsfeld sollte der Fokus mehr auf das kleine und doch bedeutsame Organ der Schilddrüse gelenkt werden.

 

Häufig spielt die Hypothyreose als ICD-10-Nebendiagnose nur eine untergeordnete Rolle, obwohl die Auswirkungen auf den Stoffwechsel der Patienten immens sind. Die Therapie der Hypothyreose muss fester Bestandteil der Adipositastherapie werden. Die Patienten mit Hypothyreose weisen häufig einen hohen Leidensdruck auf, insbesondere wenn sich die Therapie als erschwert erweist. Auf Patientenebene könnte eine Gewichtsreduktion bei Adipositas als zusätzliche Motivation dienen, eine Symptomverringerung der Hypothyreose zu erreichen. Dies setzt jedoch messbare Verbesserungen der Schilddrüsenwerte voraus.

 

Darüber hinaus sollte der Fokus auf die Prävention von Adipositas gerichtet werden. Mit den hierzu beschriebenen Empfehlungen der WHO (2021) könnte wiederum potenziellen Neudiagnosen von Hypothyreose vorgebeugt werden.

 


1 Die verwendete männliche Bezeichnung dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit und schließt die weibliche und diverse Form in jedem Fall ein.

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Verfasser*in: Sophie Jurtz

Nach ihrem Abitur beschloss die heute 23-jährige Sophie Jurtz voller Motivation, die Ernährungstherapie zukünftig zu ihrem Beruf zu machen. Dies wurde ihr mit dem Bachelor of Science der Ernährungstherapie und Ernährungsberatung in Gera ermöglicht.