Bewusst einkaufen: KISusCheck ermittelt die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln

Bewusst einkaufen: KISusCheck ermittelt die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln

Ernährung spielt in allen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle. Neben der Gesundheit achten viele Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Auswahl von Lebensmitteln heute auch auf Nachhaltigkeit – denn eine ressourcenschonende Lebensmittelproduktion und eine bewusste Ernährungsweise können dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhalten, das Tierwohl zu unterstützen und so langfristig unsere Ökosysteme zu schützen. Allerdings werden Lebensmittel auf vielfältige Weise produziert, verarbeitet und zubereitet. Die Auswahl der „richtigen“ Produkte fällt deshalb auch verantwortungsbewussten Konsumierenden nicht immer leicht.

© KErn/comcepta
© KErn/comcepta

Die Forschenden des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Verbundprojekts „KISusCheck – Nachhaltiger Einkaufsassistent“ des Kompetenzzentrums für Ernährung (KErn) an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, mit Künstlicher Intelligenz (KI) und fundiertem Ernährungswissen für mehr Transparenz beim Lebensmitteleinkauf zu sorgen. Gemeinsam mit dem Wirtschaftspartner IBM Deutschland sowie dem Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme (fortiss) entwickelten sie den Prototyp für eine Einkaufs-App, die Kaufentscheidungen für Verbraucherinnen und Verbraucher leichter machen soll.

Transparente Ernährungsinfos sind der Schlüssel zur nachhaltigen Zukunft

Um die Weltbevölkerung dauerhaft nachhaltig und gesundheitsfördernd zu ernähren und somit auch die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, sind maßgebliche Veränderungen im gesamten Ernährungssystem erforderlich. Das schildert beispielsweise der im Januar 2019 veröffentlichte Report der EAT-Lancet-Kommission.

 

Um eine geeignete Ernährungsweise unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, sollen vor allem die Konsumentinnen und Konsumenten miteinbezogen werden. Nur so lassen sich langfristig die Nachfrage für ökologische Produkte sowie nachhaltige Geschäftsmodelle etablieren und stabilisieren. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört es dabei, die tatsächlichen Wertschöpfungsketten hinter den einzelnen Produkten für die Verbrauchenden erkennbar zu machen – und so Transparenz „vom Acker bis auf den Teller“ zu schaffen. Dabei sollen die Informationen nicht nur verlässlich, sondern zugleich auch verständlich aufbereitet sein.

Auch Konsumierende wünschen sich eine bessere Aufklärung

Im Rahmen des Projekts KISusCheck führte das KErn Befragungen unter Verbraucherinnen und Verbrauchern aus ganz Deutschland durch. Dabei zeigte sich: Über mehr als 93 % der Teilnehmenden verknüpfen nachhaltige Ernährung mit einer umwelt-, ressourcen-, klima- und bodenschonenden Produktionsweise.

 

Darüber hinaus weist auch der Bürgerrat für Ernährung auf die Relevanz einer transparenten und klar erkennbaren Kennzeichnung der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln hin: Am 14. Januar 2024 veröffentlichte er neun Empfehlungen für den Deutschen Bundestag zum Thema „Ernährung im Wandel: zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Dazu gehört unter anderem ein verpflichtendes staatliches Label für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte. Es soll verschiedene Ernährungs-Bereiche wie Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und auf wissenschaftlich fundierten Informationen beruhen.

Nachhaltigkeits-Score von KISusCheck: Bewertungsskala für mehr Orientierung

Ein ähnliches Label wurde auch im Projekt „KISusCheck – Nachhaltiger Einkaufsassistent“ entwickelt. Es erleichtert Konsumentinnen und Konsumenten die Kaufentscheidung, indem es den errechneten Nachhaltigkeits-Score für das jeweilige Produkt in die Klassen A bis E kategorisiert und farblich kennzeichnet. Der Gesamt-Score setzt sich dabei aus errechneten Einzelbewertungen in den Kategorien Gesundheit, Soziales, Tierwohl und Umwelt zusammen. Als wissenschaftliche Grundlage für diese Einteilung dienten die „Big Four“ der Nachhaltigkeitskriterien, die im Rahmen des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) aus dem Jahr 2020 definiert wurden.

 

Der eigens für das Projekt entwickelte Score bewertet somit die Nachhaltigkeit einzelner Produkte mithilfe eines definierten Algorithmus, was einen Vergleich innerhalb einer Produktgruppe möglich macht. Das macht den App-Prototyp zu einer innovativen Entwicklung, die die wichtigsten Informationen für einen nachhaltigen Lebensmitteleinkauf schnell und zielgerichtet zur Verfügung stellt.

Bewertungsscala für den Nachhaltigkeits-Score

Abb. 2: Hauptfarbscala für den Nachhaltigkeits-Score © KErn
Tab. 1: Bewertungsschlüssel für den Nachhaltigkeits-Score

Beispiel für die Darstellung des Nachhaltigkeits-Scores mit Bewertung der einzelnen Dimensionen für einen Bio-Joghurt, 3,8 % im Glas

Abb. 3: Farbliche Darstellung des Nachhaltigkeits-Scores und der vier Dimensionen für einen bewerteten Bio-Joghurt © KErn

Bewertungsschlüssel für Joghurt im Glas

Für einen Joghurt im Glas mit Biolandsiegel wurde ein Gesamtscore von 71 ermittelt.

Bewertung nach Dimensionen

Gesundheit: Nachhaltigkeits-Score 100 Punkte = Klasse A

Soziales: Nachhaltigkeits-Score 0 Punkte = Klasse X

Umwelt: Nachhaltigkeits-Score 85 Punkte = Klasse A

Tierwohl: Nachhaltigkeits-Score 100 Punkte = Klasse A

 

Fazit: Obwohl der Bio-Joghurt eine Klasse-A-Bewertung für die Bereiche Gesundheit, Umwelt und Tierwohl erreicht, erhält er im Gesamtscore nur die Klasse B – denn eine Zertifizierung des Produkts in der Dimension „Soziales“ fehlt vollständig.

 

Eine Testversion des Berechnungs-Tools für die App KISusCheck finden Sie noch bis Ende Februar 2024 unter:

https://kisuscheck.org/score-calculation-ui/

Abb. 4: Berechnungstool für die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln in der Web-Ansicht © fortiss/KErn

Künstliche Intelligenz im Ernährungssektor

Künstliche Intelligenz (KI) gehört zu den modernsten Technologien der heutigen Zeit. Entsprechend eingesetzt kann sie für mehr Transparenz im Daten-Dschungel der Lebensmittelproduktion sorgen – und dadurch auch Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, Tierwohl, und Lebensmittelsicherheit fördern. Bei der am KErn entwickelten Web-App „KISusCheck – Nachhaltiger Einkaufsassistent“ kommt die KI in Form eines Chatbots zur Anwendung: Dieser macht fundiertes Ernährungswissen über einen Sprachassistenten abrufbar und unterstützt Verbraucherinnen und Verbraucher so bei der Auswahl nachhaltiger Lebensmittel.

Neben der Score-Bewertung erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher in der Web-App KISusCheck somit auch fundiertes Fachwissen: Mittels KI generiert der regelbasierte Chatbot Antworten zu unterschiedlichen Themen der Nachhaltigkeit, wie zum Beispiel Gesundheit, Soziales, Umwelt, Tierwohl, Biodiversität, Verpackungen, wahre Kosten, ökologischer Fußabdruck oder Siegel. So ergänzt der KI-Bot die Werte aus dem Nachhaltigkeits-Score mit weiteren Informationen. Dabei greift das Programm auf eine Wissensdatenbank zurück, die im Rahmen des Projektes erstellt wurde. Für den Prototyp wurden im Vorfeld mithilfe von Befragungen die Bedarfe der Verbraucherinnen und Verbraucher ermittelt, definiert und schließlich zu möglichen Fragen modelliert.

Abb.5: Beispielfrage zum Thema Zucker im Chatbot © KErn/fortiss
Abb.5: Beispielfrage zum Thema Zucker im Chatbot © KErn/fortiss

Die Forschungsergebnisse, die das KErn, fortiss und IBM aus dem Projekt gewinnen konnten, leisten einen vielfältigen Beitrag im Ernährungsumfeld. So bietet der Prototyp, dessen Code auch öffentlich als Open Source verfügbar ist, zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung – und kann langfristig zur Etablierung eines zukunftsfähigen Ernährungssystems beitragen.

 

Der Programmiercode zur App KISusCheck ist unter folgendem Link als Open Source verfügbar:

https://git.fortiss.org/kisuscheck/public

Das Projekt „KISusCheck – Nachhaltiger Einkaufsassistent“ wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Grundlage der „Bekanntmachung zur Förderung der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Landwirtschaft, der Lebensmittelkette, der gesundheitlichen Ernährung und den Ländlichen Räumen“ des deutschen Bundestages gefördert. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Förderkennzeichen: 28DK127B20

 

 

Mehr zum Projekt „KISusCheck – Nachhaltiger Einkaufsassistent“ erfahren Sie unter: https://www.kern.bayern.de/wissenschaft/298962/index.php

 

SILVIA HROUDA und NICOLETA CULIUC, KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG (KErn), BEREICH ERNÄHRUNGSWISSEN & INNOVATION (EWI), FREISING

Silvia Hrouda, Dipl. Ökotrophologin (Univ.), Gesundheitspädagogin (FH), Qualifizierte Diät- und Ernährungsberaterin; wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Kompetenzzentrum für Ernährung, Bereich Ernährungswissen und Innovation. Als langjährige Expertin für gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährung entwickelt sie u. a. digitale Projekte im Ernährungsbereich.

Nicoleta Culiuc studierte Agrarwissenschaften und Agrarmanagement, lernte Journalismus in München und arbeitete in einer Online-Redaktion. Am KErn sorgte sie als wissenschaftliche Projektmanagerin für die fachliche Umsetzung des Projektes im Bereich gesundheitsförderliche und gesunde Ernährung in Verbindung mit KI, „KISusCheck – Nachhaltiger Einkaufsassistent“.

1
0