Als Oecotropholog*in in der Schweiz tätig sein

Als Oecotropholog*in in der Schweiz tätig sein
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Wenn Sie als Ernährungswissenschaftler*in oder Oecotropholog*in in der Schweiz arbeiten möchten, stossen Sie möglicherweise auf Hindernisse im Anerkennungsverfahren. Trotz der wachsenden Anerkennung für die Rolle von Ernährung in der Gesundheitsförderung und Prävention, gibt es spezifische Herausforderungen für Fachpersonen aus anderen Ländern. Der Hauptgrund hierfür ist, dass in der Schweiz strikt zwischen einer Tätigkeit im therapeutisch-beratenden Setting und einer Tätigkeit im präventiven Bereich (sowie vielen anderen möglichen) unterschieden wird. Gleichzeitig bieten sich aber viele alternative und attraktive Möglichkeiten und Wege, um beruflich erfolgreich Fuss zu fassen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Als Oecotrophologin und Autorin dieses Beitrags habe ich mich vor rund 20 Jahren bei meinem Umzug in die Schweiz gegen das offizielle Anerkennungsverfahren entschieden, da die Aussichten eher gering waren, der Aufwand sehr hoch – und ich mich nicht für ein Setting ausschliesslich im beratend-therapeutischen Bereich entscheiden wollte. Der Weg meiner beruflichen Weiterentwicklung und die Suche nach einer attraktiven Tätigkeit waren zeitweise steinig, aber haben sich für mich gelohnt.

Die Herausforderungen eines Anerkennungsverfahrens

In der Schweiz regelt das Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (Gesundheitsberufegesetz) die Anerkennung für Berufe im Gesundheitswesen. Zuständig für die Prüfung und Anerkennung ausländischer Abschlüsse im Gesundheitsbereich ist das Schweizerische Rote Kreuz (SRK). Während Diätassistent*innen in der Regel das Anerkennungsverfahren ohne grössere Schwierigkeiten durchlaufen, ist es für Fachpersonen mit einem Abschluss in Oecotrophologie (unabhängig davon, ob Uni oder FH-Abschluss) in der Regel nicht möglich, eine Anerkennung zu erlangen. Als Begründung wird in der Regel angegeben, dass ein Studium/Abschluss in Oecotrophologie die erforderlichen Inhalte für eine Beratungstätigkeit nicht abdeckt und daher nicht zur Beratung von erkrankten Personen (= therapeutischer Bereich) befähigt.

Seit einigen Jahren beinhaltet das mehrstufige Anerkennungsverfahren einen zusätzlichen Pre-Check, der über eine mögliche Anerkennung schnell Aufschluss gibt.

Was kann ich machen, wenn ich unbedingt eine Anerkennung möchte?

Mit einem negativen Pre-Check-Bescheid ist noch nicht alles verloren. Gesetzlich anerkannte*r Ernährungsberater*in zu sein ist in der Schweiz ein angesehener und gesuchter Beruf. Zwei deutschsprachige schweizerische Fachhochschulen bieten Abschlüsse im Studiengang «Ernährung und Diätetik» an und bieten auf Anfrage Personen mit Abschlüssen aus Deutschland (und anderen Ländern) die Möglichkeit eines Quereinstiegs. Dieser Quereinstieg erfordert zusätzliche Module, Praktika, sowie möglicherweise eine Bachelorarbeit. Das Ganze ist nicht nur zeit- sondern auch kostenintensiv und kann in einem Vollzeitpensum oder berufsbegleitend absolviert werden. Ansprechpersonen sind jeweils die Studiengangsverantwortlichen bei der Berner Fachhochschule BFH und der Fernfachhochschule Schweiz FFHS.

 

Aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Seit einigen Jahren bietet die Fachhochschule St. Pölten (Nähe Wien) einen einjährigen Weiterbildungslehrgang «Angewandte Ernährungstherapie» an. Dieser Abschluss wurde in der Schweiz in der Vergangenheit vom SRK anerkannt. Ob dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch der Fall ist, muss individuell beim SRK angefragt werden.

 

Relativ neu in der Schweiz ist auch die Ausbildung zum «Personal Health Coach», der von der Uni Basel als einjähriges CAS angeboten wird. Die Ausbildung «Personal Health Coach» ist vom Erfahrungsmedizinischen Register (EMR) und zwölf Schweizer Krankenversicherern anerkannt. Das CAS beinhaltet zwar keine Anerkennung für Ernährungsberatung im Rahmen der Grundversicherung des schweizerischen Krankenversicherungsmodells, jedoch Zugang zu Möglichkeiten der Abrechnung über die Zusatzversicherungen. Einen Überblick über Modelle und Leistungen des schweizerischen Krankenversicherungssystems gibt folgende Quelle: https://www.swisslife.ch/de/private/blog/krankenkasse-schweiz-leicht-erklaert.html

Wie ist das mit der Ernährungsberatung in der Schweiz geregelt?

Grundsätzlich ist es in der Schweiz so, dass definierte Leistungen von der obligatorischen Krankenversicherung (auch: Grundversicherung) bezahlt werden. Hierzu gehören beispielsweise Diagnosen von Übergewicht, Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere. Ordnet der behandelnde Arzt oder die Ärztin eine Ernährungsberatung an (=Verordnung), übernimmt die Krankenversicherung die Kosten für diese Beratung. Damit diese Leistungen bezahlt werden, müssen die Leistungserbringer (=Ernährungsberater*innen) anerkannt sein. Theoretisch kann eine nicht-anerkannte Fachperson, diese Leistungen auch erbringen; die Kosten werden dann jedoch nicht von der Krankenkasse übernommen. Als freischaffende Ernährungsberater*in kann grundsätzlich jede Person Ernährungsberatungen anbieten. Die Kosten müssen einfach von den Kund*innen bezahlt werden. Wie auch in Deutschland und anderen Ländern ist die Berufsbezeichnung «Ernährungsberater*in» nicht geschützt.

Arbeitsfelder in der Schweiz für Ernährungswissenschaftler*innen und Oecotropholog*innen

Ernährungswissenschaftler*innen/Ernährungsfachpersonen in der Schweiz arbeiten u.a. in den folgenden Berufsfeldern:

  • Forschung und Entwicklung
  • Institutionen im Bereich Ernährung und Public Health
  • Lebensmittelindustrie
  • Gemeinschaftsverpflegung
  • Hochschulen, Fachhochschulen und Schulen (inkl. Erwachsenenbildung)
  • Gesundheitswesen
  • Ernährungskommunikation (Marketing, PR)
  • Konsumentenschutz
  • Pharma-Bereich

Ein Netzwerk aufbauen

Egal auf welche Option und welches Berufsfeld die Wahl fällt: Wie in allen anderen Ländern auch, ist der Aufbau eines aktiven beruflichen Netzwerks in der Schweiz immens wichtig. Die Schweiz ist klein, die «Ernährungslandschaft» überschaubar; ein kleines, aber feines Netzwerk kann wertvolle Kontakte und Einsichten in die Arbeitsmarktsituation bieten.

 

Das für Oecotropholog*innen relevante berufliche Netzwerk in der Schweiz ist SWAN – SWiss Academic Nutritionists. SWAN wurde 2018 (unter anderem von einigen Oecotrophologinnen) mit dem Ziel gegründet in der Schweiz tätigen Ernährungswissenschaftler*innen eine Plattform zu bieten, die es bis dahin nicht gab. Aktuell (Stand Mai 2024) hat SWAN rund 100 Mitglieder, die alle aus dem Bereich Ernährungswissenschaften (Wissenschaft, Forschung, Industrie, Prävention, Kommunikation und viele andere mehr) kommen. SWAN-Mitglieder haben zahlreiche unterschiedliche Nationalitäten und Abschlüsse. Viele dieser Mitglieder haben in den vergangenen Jahren auch unterschiedliche Anerkennungsverfahren durchlaufen und Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt.

 

Die Schweizer Ernährungsberater*innen sind mehrheitlich im eigenen Berufsverband SVDE («Schweizerischer Verband der Ernährungsberater/innen») organisiert.

 

Was bietet SWAN als Netzwerk?

SWAN und der VDOE kooperieren – nicht zuletzt in Form einer attraktiven Kombi-Mitgliedschaft, wenn eine Mitgliedschaft in beiden Organisationen besteht. SWAN ist ein aktives Netzwerk und lebt vom Engagement seiner Mitglieder. Der Vorstand organisiert gemeinsame Events wie Exkursionen, Vorträge und Netzwerkveranstaltungen.

 

Ausserdem unterhält der Verband ein Mentoringprogramm, welches sich insbesondere auch für Personen eignet, die im Arbeitsmarkt Schweiz Fuss fassen wollen. Bewerbungsschluss hierfür ist jeweils Ende Oktober eines Jahres.

 

SWAN unterhält auch eine eigene Gruppe auf LinkedIn. Hier werden Informationen und Posts zu Aktivitäten, aktuellen Stelleninseraten, Informationen aus dem Verband und anderes geteilt. Auch Mitglieder der Gruppe haben die Möglichkeit Informationen oder Anfragen (z.B. zu einem Anerkennungsverfahren) zu posten und sich so auszutauschen. Ein Zutritt zur Gruppe kann via LinkedIn angefragt werden. Der Zugang wird beschränkt auf Personen mit dem Berufsfeld Ernährung und einem Bezug zur Schweiz.

 

Die Möglichkeit einer Kombi-Mitgliedschaft besteht übrigens ebenso für Ernährungsfachpersonen aus Österreich zwischen SWAN und dem VEÖ (Verband der Ernährungswissenschaften Österreichs).

Mein Fazit

Der Berufseinstieg als Ernährungswissenschaftler*in oder Oecotropholog*in in der Schweiz mag zunächst mit Hindernissen verbunden sein und die grundsätzliche Entscheidung, ob eine Tätigkeit im rein therapeutisch-beratenden Bereich angestrebt werden soll, ist sicher nicht immer ganz einfach umzusetzen. Es gibt jedoch reichlich Möglichkeiten als Ernährungswissenschaftler*in oder Oecotropholog*in in der Schweiz Fuss zu fassen. Mir persönlich haben dabei der Aufbau eines professionellen, interdisziplinären Netzwerks und mein Engagement darin massgeblich geholfen.

Ein Erfahrungsbericht von Michaela Süß

Meine Erfahrungen mit dem Anerkennungsprozess als klinische Ernährungstherapeutin in der Schweiz waren eine emotionale Achterbahnfahrt. Studiert habe ich Ernährungswissenschaften B.Sc. und M.Sc. an der Justus-Liebig-Universität Giessen, mit Schwerpunkt klinischer Ernährung. Mein berufliches Ziel ist es, in der klinischen Forschung und in der Beratung im direkten Kontakt mit Patient*innen zu arbeiten, da mich der der Kontakt mit ihnen besonders erfüllt und mir die Relevanz unserer Arbeit noch bewusster macht.

 

Durch den Jobwechsel meines Partners zogen wir unerwartet in die Schweiz. Um hier in einem Gesundheitsberuf arbeiten zu können, muss man einen Anerkennungsprozess beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) durchlaufen. Nach ersten Informationen schien das unkompliziert zu sein, möglicherweise wäre ein Ausgleichslehrgang erforderlich, aber meine Qualifikation sollte nach Einreichen meiner Zeugnisse anerkannt werden.

 

Ich begann zeitgleich mich auf Stellen zu bewerben und entschied mich für eine Position in einer Rehaklinik. Doch kurz vor Arbeitsbeginn erhielt ich die Nachricht, dass mein PreCheck, der erste Schritt zur Anerkennung, negativ ausgefallen war. Der Fachverständige des SRK erklärte mir, dass ich mit meinem Studium nicht zur Beratung von kranken Personen befugt bin, sondern nur in der Prävention oder in der wissenschaftlichen Forschung oder Industrie arbeiten dürfe. In der Schweiz sind die Berufe Berater*in/Therapeut*in, sowie die zugehörigen Ausbildungen, streng reglementiert. Die Studiengänge Ernährungswissenschaften oder Ökotrophologie in Deutschland können dagegen je nach Uni stark variieren. Daher konnte das SRK nicht sicherstellen, dass mein Studium die erforderlichen Inhalte für die Beratungstätigkeit abdeckt. Auch die Zusatzqualifikation Ernährungsberatung bietet hier keine Möglichkeit. Anders als Diätassistent*innen haben Studienabsolvent*innen keinen staatlich anerkannten Status als Heilberuf, können so in Deutschland, nicht aber in anderen Ländern in der Ernährungstherapie arbeiten. Die Nachricht hat mich zu diesem Zeitpunkt hart getroffen, es schien aussichtslos hier arbeiten zu können.

 

Um alle Optionen auszuschöpfen, wandte ich mich direkt an die Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) und die Berner Fachhochschule (BFH), die beide den Studiengang Ernährung und Diätetik anbieten. Ich erhielt die Rückmeldung, dass sie Studierenden aus Deutschland die Möglichkeit eines Quereinstiegs bieten. Es erfordert jedoch zusätzliche Module, Praktika, sowie eine Bachelorarbeit, die unabhängig von bisherigen Studienleistungen absolviert werden müssen. Berufsbegleitend wird das ca. 2,5 Jahre dauern. Es war eine schwierige Entscheidung, aber ich habe beschlossen diesen zeit- und kostenintensiven Weg zu gehen und beginne das Studium an der FFHS.

 

Vor kurzem habe ich meine Stelle als klinische Ernährungstherapeutin in der Rehaklinik Barmelweid begonnen und genieße es endlich im direkten Kontakt mit den Patient*innen zu stehen. Neben der Beratung werde ich in Zukunft Fortbildungen für Klinikpersonal durchführen sowie bei der Betreuung der Studierenden mitwirken. Die kommenden Jahre werden herausfordernd, aber ich erhalte die Unterstützung meiner Arbeitgeberin und meiner Vorgesetzten und hoffe, bald die offizielle Anerkennung durch das SRK zu erhalten.

Links und weiterführende Informationen:

Wo finde ich Stelleninserate für Ernährungsfachpersonen/ Ernährungswissenschaftler*innen in der Schweiz?

Stand: Mai 2024; Auflistung ist möglicherweise nicht vollständig

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Verfasser*in: Melanie Loessner

Melanie Loessner ist promovierte Oecotrophologin und lebt seit 20 Jahren in der Schweiz. Sie ist Gründungsmitglied von SWAN und war von 2018-2023 die Präsidentin. Sie ist für ihr eigenes Unternehmen vitamintexte sowie für die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE tätig.