Gießen, der 12. Oktober 2023: Das letzte Mal die Vorbereitungen der Feierlichkeiten checkend, begrüßte der VDOE gemeinsam mit dem Fachbereich 09 der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen die ersten Gäste und Aussteller. Die Veranstalter hatten zur Feier des Doppeljubiläums geladen – 60 Jahre Studium der Ökotrophologie an der JLU Gießen und 50 Jahre VDOE. Der Ort des Jubiläumssymposiums, das JLU-Hauptgebäude, ließ bei einigen Absolvent*innen Erinnerungen an die Studienjahre aufleben. Bei einer Tasse Kaffee konnten sich die Gäste zu Beginn des Festes ausgiebig austauschen und die Ausstellung der Korporativen Mitglieder und Kooperationspartner des VDOE im Foyer besuchen.
„Gießen ist nicht nur die Wiege der Oecotrophologie in Deutschland, sondern Gießen ist auch die Wiege des VDOE und darauf können wir stolz sein.“ Mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Klaus Eder, Dekan des Fachbereichs Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement, das Jubiläumssymposium. Dabei betonte er besonders, dass das Studium der Oecotrophologie zu den erfolgreichsten Studiengängen der JLU Gießen zähle. VDOE-Vorstandsvorsitzende Dr. Silke Lichtenstein sprach in ihrer Ansprache über die besondere Stärke dieser Berufsgruppe „Wir bauen Brücken zwischen Fächern, zwischen Menschen und zwischen Generationen und alles das wird heute hier stattfinden.“. Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Kramer, Vizepräsident für Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses der JLU, führte die Eröffnung mit einem Grußwort fort und übergab das Wort an Dr. Margareta Brüning-Fesel, Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, für eine Laudatio.
Das anschließende Programm führte in drei Blöcken von der Ursprungsidee über die aktuellen Entwicklungen zu einem Ausblick auf zukünftige Herausforderungen.
Die Idee der Ökotrophologie – Etablierung des Diplom-Studiengangs an der JLU Gießen
Nach einer kurzen Kaffeepause ging es weiter mit dem ersten Block der Veranstaltung. Prof. Dr. Ingrid-Ute Leonhäuser erinnerte an die Anfänge des Studiengangs. Der Blick in die Vergangenheit zeigte, wie viel sich in den letzten Jahren geändert hat. Die damalige Wahrnehmung der Ökotrophologie veranschaulichte die Professorin mit einer Darstellung des ersten Artikels im Spiegel in den 60er Jahren über den Studiengang mit dem Titel „Säbel und Knödel“. Das Ansehen und die Auffassung des Studienganges hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt – mit Semmelknödeln wird die Oecotrophologie nun nicht mehr in Verbindung gebracht. Dies ist laut Professorin Leonhäuser Verdienst aller Akteure aus Lehre und Forschung sowie der bundesweit präsenten Absolvent*innen und nicht zuletzt auch des Berufsverbandes.
Gründung des VDOE und Erfolgsgeschichten von Oecotropholog*innen der ersten Jahre
Absolventinnen früher Jahrgänge der Ökotrophologie berichteten dem Publikum von ihren Erfahrungen mit dem damals neuen Studiengang. Die Ökotrophologie war laut Prof. Dr. Gisela Semmler in den 60er Jahren noch sehr unbekannt. Aus diesem Grund nahmen Studierende die Kundgabe selbst in die Hand, was – wie Prof. Dr. Dr. Barbara Fegebank anmerkte – genauso wichtig wie auch schwierig war. Durch die engagierte Zusammenarbeit Studierender und Absolvent*innen resultierte die Gründung des VDOE, damals noch Verband der Diplom-Oecotrophologen e. V. Insbesondere durch großes Durchhaltevermögen konnte das Berufsbild der Oecotrophologie mehr Anerkennung erhalten. Es zeigt sich also, wie auch Dr. Uschi Eid abschließend sagte, Engagement zahlt sich aus. Dies legt sie jungen Menschen, insbesondere Frauen, ans Herz.
Ökotrophologie heute: Ernährung, Gesundheit, Ökonomie und Ökologie – Aktuelle Entwicklung der inhaltlichen Ausrichtung
Nach einer weiteren Kaffeepause und der Möglichkeit sich über das Erfahrene auszutauschen, startete der nächste Veranstaltungsblock zur Entwicklung der Ökotrophologie. Zum Einstieg sprach Prof. Dr. Wencke Gwozdz, Leiterin der Professur für Versorgungs- und Verbrauchsforschung der JLU Gießen. Der Studiengang Ökotrophologie wurde im Rahmen der Re-Akkreditierung auf die heutigen Herausforderungen ausgerichtet. Zur Gründungszeit ging es um Hauswirtschaft und die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Heute stehen Themen wie Verteilung der Nahrungsmittel, Nachhaltigkeit sowie Überernährung in Industrieländern und gleichzeitige Unterernährung im Vordergrund. Die Grundidee der Ökotrophologie bleibt gleich während die Inhalte zukunftsfähig weiterentwickelt wurden.
Portraits und Erfolgsgeschichten zu Berufschancen
In der zweiten Talkrunde sprachen Oecotropholog*innen über ihren beruflichen Werdegang. Das besondere an der Oecotrophologie ist die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten, die sich aus der Kombination von Sozial- und Naturwissenschaften ergibt. Darüber war sich die Runde einig.
Auch kritische Sichtweisen auf das Studium wurden angesprochen. „Das Studium bildet einen – es bildet nicht aus.“, so Dr. Insa Deeken vom Studierendenwerk der Universität Siegen. Für den beruflichen Weg sind nicht nur das Studium, sondern vor allem Erfahrungen in der Praxis sowie die persönliche Entwicklung entscheidend. Diese sind vor allem außerhalb der Hochschulen im Rahmen von Praktika oder Auslandsaufenthalten zu erlangen. Um Studierende der Ökotrophologie bei der Berufswahl zu unterstützen ist auch der BerufsVerband gefragt. Dieser kann Brücken bauen, bietet Vernetzung und Erfolgsgeschichten, die Orientierung schaffen. Damit Studierende diese Angebote kennen und nutzen können, ist eine stärkere Präsenz des VDOE in Hochschulen gefordert.
Verleihung der OECOTROPHICA-Preise
Im Rahmen des Jubiläumssymposiums wurden fünf Absolvent*innen mit dem OECOTROPHICA-Preis ausgezeichnet. Dr. Silke Lichtenstein für den VDOE und Manon Struck-Pacyna, stellvertretend für den Lebensmittelverband e. V. als Stifter des Preises, überreichten die Preise in den Kategorien Humanernährung, Ernährungsverhaltensforschung (Consumer Science) und Mikronährstoffe & sonstige Stoffe an die Nachwuchswissenschaftlerinnen. Zu diesen Auszeichnungen gratuliert der VDOE erneut recht herzlich. In der anschließenden Pause hatten die Gäste die Möglichkeit sich über die wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen der Posterausstellung zu informieren und mit den Preisträgerinnen ins Gespräch zu kommen.
Forschung und Lehre für die Zukunft: Was haben wir gelernt, und was packen wir in unseren Rucksack für die Zukunft?
Eingeleitet wurde der dritte Veranstaltungsblocks von Prof. Dr. Hannelore Daniel und Prof. Dr. Stefan Wahlen. In dem Impuls machte Professorin Daniel ihren größten Kritikpunkt, dass die Oecotrophologie es nicht geschafft habe, sich in 60 Jahren als Wissenschaft zu etablieren, deutlich. Der Studiengang werde nicht gelehrt, sondern gepredigt. Es sei also wichtig mehr Wissenschaft in die Studiengänge zu bringen.
Professor Wahlen sieht die Oecotrophologie zwar als multi- aber noch nicht als interdisziplinär an. Der Versuch, verschiedenen Wissensformen die einen Bezug zur Ernährung haben, wie die Sozial-, Gesellschafts- und Naturwissenschaften, zu integrieren und nicht nur nebeneinander zu lehren, muss seiner Meinung nach weiter und besser ausgebaut werden.
Was können wir als Oecotropholog*innen zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in Wissenschaft, Ernährung und Gesundheit, Lebensmittelwirtschaft und Nachhaltigkeit beitragen?
In der dritten Talkrunde des Tages wurde insbesondere das Thema Künstliche Intelligenz (KI) diskutiert. So gilt es im Berufsalltag von Oecotropholog*innen die Frage zu stellen, wie man KI in Ernährungsberufe integrieren kann, ohne sich davon anhängig zu machen. Es sei wichtig, die KI zu nutzen und auch die Ergebnisse dieser einschätzen zu können. Weiterhin bleiben jedoch relevante Aufgaben von Oecotropholog*innen, die KI nicht erfüllen kann, wie in etwa eine ganzheitliche Schulung, kritisches Denken oder personelle Merkmale.
Das nehmen wir mit nach Berlin
Das Jubiläumssymposium hat den kontinuierlichen Entwicklungsprozess der Oecotrophologie sowie die Diversität der Berufsfelder gut widergespiegelt. Gerade für viele Absolvent*innen sowie Lehrende der JLU Gießen erinnerte das Fest an ein großes Klassentreffen – gemeinsam in Erinnerungen schwelgen und alte Bekannte wiedersehen. Die jungen Generationen der Studierenden und Absolvent*innen konnten an diesem Tag viel über die Vergangenheit, aber auch Zukunft des Studiengangs lernen. Für die Arbeit des VDOE nehmen wir viel Motivation mit, da sich durch diese Erfolgsgeschichten zeigt, wie relevant und zukunftsfähig die Fachkompetenz von Oecotropholog*innen ist. Die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen und dadurch der enge Kontakt zu Studierenden ist dabei eine wichtige Aufgabe.