Podcast – Ernährungsfachkräfte haben was zu sagen

Podcast – Ernährungsfachkräfte haben was zu sagen

Wo man auch langgeht, fast immer hat jemand Kopfhörer im oder auf dem Ohr. Viele hören Musik, einige telefonieren und wiederum andere lauschen gerade einem Podcast. Das Medium Podcast hat sich in kurzer Zeit von einem Nischenprodukt zum Mainstream entwickelt und macht auch vor dem Thema Ernährung nicht halt. Es gibt Podcasts über gesunde Ernährung, Abnehmtipps bis hin zur Ernährungspsychologie. Das Angebot ist mannigfaltig. Aber taugt dieses neue Medium überhaupt etwas? Können ausgebildete Ernährungsfachkräfte damit endlich flächendeckend zeigen, was sie können?

Ihre Botschaft - Rein ins Ohr, bleibt im Kopf

„Herzlich willkommen zu einer neuen Folge über…“, sagt eine freundliche Stimme direkt ins Ohr. Sandra hört diesen Podcast regelmäßig und hat sich bereits auf die neue Folge gefreut. Sie möchte sich endlich gesünder ernähren und ein paar Kilos verlieren. Da kommen ihr die regelmäßigen Ernährungsinformationen und Motivationen des Podcasthosts (Host = Gastgeber*in) gerade recht. Sandra hat dabei das Gefühl, die Stimme aus ihren Kopfhörern spricht exklusiv nur mit ihr.  Das gefällt ihr besonders. Sie mag auch die Art, wie redet, lacht und Themen humorvoll aufbereitet.

Ein Podcast ist vergleichbar mit einer langen WhatsApp-Sprachnachricht. Jemand spricht die Informationen, die sie/er teilen möchte, auf Band. Um keine kostbare Lebenszeit zu verlieren, werden lange WhatsApp-Sprachnachrichten jedoch oftmals in doppelter Geschwindigkeit abgespielt oder nur aus sozialem Druck angehört. Podcasts hingegen werden freiwillig eingeschaltet. Viele freuen sich auf neu erschienene Podcastfolgen über ihr aktuelles Lieblingsthema, denn sie bringen der zuhörenden Person einen Nutzen. Zuhörer*innen können sich mit erzählten Geschichten eine Auszeit aus dem Alltag gönnen oder Informationen sammeln und verstehen, um ein Ziel zu erreichen. Zu fast jedem Thema gibt es Podcastshows, wie bspw. über das Gärtnern, über wahre Kriminalfälle oder über einen gesunden Lebensstil.

Das Medium Podcast ist zu einem Massenmedium geworden, das den Alltag von vielen Menschen begleitet. Laut der Goldmedia/Podigee-Erhebung1 hören über zehn Millionen Deutsche (>14 Lebensjahre) Podcasts, davon mehr als vier Millionen sogar täglich mehr als eine Show. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen steigen werden, denn Podcasts sind bereits über 57 Millionen Menschen in Deutschland bekannt.

Podcasts sind besonders bei jungen Menschen beliebt. Ein Drittel der über 10 Millionen deutschen Podcasthörer*innen sind zwischen 14 und 29 Jahre alt. Dennoch gibt es auch Nutzer*innen, die die 70 Jahre bereits überschritten haben. Besonders spannend ist jedoch die Altersgruppe von 30-49 Jahren. Darunter befinden sich besonders viele Intensivnutzer*innen, von denen ca. ein Drittel drei bis mehr als zehn Stunden in der Woche Podcasts hören.

Dr. Ann-Kristin Dorn bei der Aufnahme

Podcast – das Edutainmentpaket für Ernährungsfachkräfte

Müsste sich das Medium Podcast bei jemandem mit drei Worten vorstellen, würden möglicherweise folgende fallen: Wissenstransfer, Unterhaltung und Emotionen. Podcasts können Hörer*innen auf mehreren Ebenen erreichen und somit das Lernen und die Aufnahme von Informationen erleichtern2.

Studien haben ergeben, dass die Weitergabe von Ernährungsinformationen über Podcasts der durch Videos oder klassischen Texten ebenbürtig ist3,4.

 

Warum erfreut sich das Medium Podcast dann aber aktuell einer so großen Beliebtheit?

Im Vergleich zur Informationsvermittlung über Webseitentexte, fühlte sich das Format Podcast für Proband*innen neuartiger an5.  Weiterhin zeigte sich, dass die Verwendung von verhaltensbezogenem, theoriebasiertem Podcasting ein wirksames Mittel zur Förderung der Gewichtsabnahme sein kann. Die Studienteilnehmer*innen, die ihre Informationen über einen theoriebasierten Podcast bezogen, verloren mehr Gewicht, zeigten mehr gewichtsbezogenes Wissen und sogar Elaboration bei gleichzeitiger verringerter kognitiver Belastung.2 Elaboration ist ein Prozess beim Lernen, der die vertiefte Informationsverarbeitung beschreibt. Neu gewonnenes Wissen wird mit bereits bestehenden Strukturen des Langzeitgedächtnisses verknüpft. Dieser Prozess scheint durch Podcasts vereinfacht zu werden.

Podcasts geben allerdings nicht nur Informationen und Wissen weiter. Sie bringen einen gewissen Unterhaltungswert mit sich. Beim Hören von Podcastinterviews kann es sich so anfühlen, als würde man seine Nachbarn beim Kaffeeklatsch belauschen und brühwarm die neuesten Informationen aus dem Viertel erfahren. Es werden persönliche Geschichten geteilt, Meinungen vertreten und interpretiert. Eine Podcastfolge kann aber auch intim und persönlich werden, wenn der/die Moderator*in die Zuhörer*innen direkt anspricht und es einem Gespräch ähnelt, indem die zuhörende Person im Kopf antworten kann.

 

Zusätzlich ist das Medium Podcast für Nutzer*innen bequem, komfortabel und überwiegend kostenfrei. Mittels verschiedener Apps können Podcasts über das Handy überall und jederzeit abgespielt werden. Die freundliche Stimme im Ohr kann einen somit im Auto, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Spazieren gehen oder zu Hause beim Putzen und Kochen begleiten.

Wissenstransfer und Unterhaltung gepaart mit Emotionen sind das „Edutainmentpaket“, das EFKs für ihre Sichtbarkeit und klare Positionierung als Expert*innen nutzen können und sollten.

Schaut man in die Top 100 der Podcasts für Ernährung6 und Ernährungsweise7, dann findet sich dort ein bunter Blumenstrauß an Themen wie neueste Ernährungstrends, über eine pflanzenbasierte Ernährung bis hin zu intuitivem Essen. Erfreulicherweise überlassen Ernährungsfachkräfte hier nicht komplett den Laien das Feld. Ein nicht unerheblicher Anteil der Top 100 Podcasts über die Ernährungsweise werden von Ernährungsfachkräften (EFKs) gehostet. Hier sage ich Bravo und weiter so!

Ernährungsfachkräfte erheben ihre Stimme

Die Hürden, um einen Podcast zu veröffentlichen, sind nicht hoch. Heruntergebrochen benötigt ein Podcasthost ein Aufnahmegerät, das von einem Profimikrofon bis zur Diktierfunktion im Handy reichen kann, eine Audio-Editorsoftware und eine Plattform zum Hosten und Veröffentlichen der Podcastfolgen. Dazu noch ein quadratisches Podcastcover, eine Podcastbeschreibung und Freude am Reden.

Wer die Grundlagen dafür noch nicht beherrscht, kann sich hilfreiche und praktische Informationen über passende Blogs, Videos oder Podcastformate beschaffen oder erfahrene Personen bereits für geringe monetäre Beträge beauftragen. Des Weiteren bietet ein Podcast für den Host viel Spielraum bei der Themenwahl und der eigenen Gestaltung der Show, was für kreative Menschen einer bunten Spielwiese gleicht.

 

Für fast jede Ernährungsthematik existiert bereits ein passendes Podcastformat. Sollte es dennoch weitere Podcasts von EFKs geben?

Ja, denn zum einen sollten EFKs auf keinen Fall die Chance verstreichen lassen, den Markt für Ernährungspodcasts zu dominieren, um sichtbar zu werden und sich für Ihr Thema als Expert*in klar aufzustellen. Zum anderen ist besonders beratenden EFKs bekannt, dass nicht jede EFK zu jeder/m Klient*in passt. So ähnlich verhält es sich mit Podcasts. Nicht jede zuhörende Person mag jeden Podcasthost. Das kann daran liegen, dass sich die/der Zuhörer*in nicht mit dem Host identifizieren kann, weil z. B. das Alter, das Geschlecht oder das Image nicht stimmig sind. Es kann sogar sein, dass ein Podcast nicht weitergehört wird, weil der Podcasthost zu langsam, zu schnell oder zu dialektbehaftet redet oder das Informationsniveau zu hoch oder zu niedrig ist. Daher sind thematisch ähnliche Podcasts noch lange nicht gleich. Sie werden von verschiedenen Menschen kreiert und enthalten somit variierend aufbereitete Informationen, unterhalten mit unterschiedlichen Charakteren und lösen vielfältige Emotionen bei den Zuhörenden aus.

Sollte nun jede EFK einen eigenen Podcast ins Leben rufen?

Hier darf jede EFK für sich selber entscheiden. Als Entscheidungshilfe muss Erwähnung finden, dass ein Podcast viel Positives hervorruft, wie die bereits genannte Freude an der kreativen Arbeit, eine klare Positionierung als Expert*in und Sichtbarkeit. Allerdings kostet ein Podcast Ressourcen. Diese sind Zeit, Geld und kognitive Energie. In einer Podcastshow stecken viele versteckte Aufgaben. Dazu gehören das Anfragen und Koordinieren von Podcastgästen, das gewissenhafte Ausarbeiten eines Themas, das Einsprechen der Folge, die Nachbearbeitung der Audiodatei sowie das Hochladen und Bewerben. Diese Aufgaben kosten viel Zeit und Zuhörer*innen werden nicht automatisch auch zu Kund*innen. So können für eine 30-minütige Folge ein bis drei Tage Arbeit eingeplant werden. Um diesen Verdienstausfall zu kompensieren, können Werbepartnerschaften geschlossen werden. Positiv daran ist, dass fast 70 % der Podcasthörer*innen Werbung als nur etwas oder gar nicht störend empfinden1. Negativ für den Podcasthost ist, dass sich die Höhe des Honorars meist nach den Downloadzahlen richtet, was wiederum bedeutet, dass eine hohe Reichweite mit den Folgen erzielt werden muss.

Als Alternative zum eigenen Podcastformat kann eine EFK in einer Podcastshow z. B. einer/s Kolleg*in auftreten. Auch damit kann sich eine EFK klar und sichtbar positionieren, ohne regelmäßig Podcastinhalte veröffentlichen zu müssen.

Unterstützen Sie also gerne Ihre Kolleg*innen, in dem Sie ihre Podcastformate anhören, bewerten, selber daran durch Interviews teilhaben und weiterempfehlen.

 

Welches Ernährungsthema würde Sie in einem Podcast interessieren? Schreiben Sie uns gerne in die Kommentare!

Literatur:

  1. Pod-Ratings.com: Podcast-Nutzung in Deutschland, 2020, URL: https://www.podigee.com/de/blog/neue-studie-mehr-als-10-millionen-deutsche-h%C3%B6ren-podcasts
  2. Turner-McGrievy, G. M. et al.: Pounds Off Digitally Study: A Randomized Podcasting Weight Loss Intervention, 2009, URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19765496/
  3. Weiß, K., König, L. M.: Does the medium matter? Comparing the effectiveness of videos, podcasts and online articles in nutrition communication, 2022, URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36178031/
  4. Kelly, J. M. et al.: Learning Through Listening: A Scoping Review of Podcast Use in Medical Education, 2022, URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34935729/
  5. Turner-McGrievy, G.; Kalyanaraman, S. und Campbell, M. K.: Delivering Health Information via Podcast or Web: Media Effects on Psychosocial and Physiological Responses, 2016, URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4860808/
  6. Podwatch: Die besten Ernährungs-Podcasts [Stand: 04.01.2023], URL: https://podwatch.io/charts/ernaehrungs-podcasts/
  7. Podwatch: Die besten Podcasts für Ernährungsweise [Stand: 04.01.2023], URL: https://podwatch.io/charts/ernaehrungsweise-podcasts/

Podcastinformationen

THE FOOD TALKS – Seit 2023 liegt der Fokus des Podcast nicht mehr nur auf einer allgemeinen gesunden Ernährung, sondern auf einem knochengesunden Lebensstil. Dr. Ann-Kristin Dorn möchte erreichen, dass Zuhörer*innen ein Leben mit starken und gesunden Knochen führen möchten. Sie sagt damit der Knochenschwundkrankheit Osteoporose den Kampf an, an der bereits über sieben Millionen Menschen in Deutschland leiden. Dafür gibt sie die wichtigsten Informationen über Knochen weiter und teilt Tipps wie Ernährung, Bewegung und Lebensstil verbessert werden können.

 

SPITZ DIE LÖFFEL! – Dieser Podcast beschäftigt sich mit aktuellen Trends und Themen bis hin zu allerlei Ideen für einen gesünderen Alltag. In jeder Folge spricht Dr. Ann-Kristin Dorn mit einem anderen Gast über Wissenswertes rund um eine ausgewogene Ernährung.

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Verfasser*in: Dr. Ann-Kristin Dorn

Dr. Ann-Kristin Dorn ist eine Ernährungswissenschaftlerin und Ernährungsberaterin/DGE. Sie veröffentlicht ihren eigenen Ernährungspodcast THE FOOD TALKS seit 2019 und moderiert den IN FORM-Podcast SPITZ DIE LÖFFEL! seit 2022, der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird.